Es riecht gut im Raum. Auf dem Tisch stehen schon viele kleinere und grössere Schüsseln mit feinem Essen drin - Kräuter, Fladenbrot, Saucen, ein feines Fruchtmus. Bequeme Polster um den Tisch herum warten darauf, dass eine fröhliche Runde von Freunden Platz nimmt. Genau auf das hat sich Jesus sehr gefreut – einen Abend mit seinen Freunden. Er ist gerne mit ihnen zusammen, einige unter ihnen waren Fischer oder Zöllner, eigentlich alles einfache Leute aus der Gegend des Sees Genezareth. Mit diesem Freundeskreis hat Jesus oft gegessen, ist aber auch gewandert, hat diskutiert und gelacht. Heute gibt es mehr als ein normales Znacht, heute wird besonders gefeiert. Es ist die Zeit des Passahfests, bei dem sie als Gläubige Gott als ihren Befreier feiern. Jesus ist klar, dass bald sehr schwierige Zeiten auf ihn zukommen wird. Darum ist es ihm wichtig, nochmals Zeit mit seinen Freunden zu haben. Am Festtisch erzählt er, dass er in den kommenden Tagen seine tiefe Freundschaft durch seine Bereitschaft zum Leiden zeigen wird.
Tiefe Schatten hängen über dem Garten. Wie schwarze Figuren stehen die Bäume in der Nacht da. Es ist dunkel und still. Doch ganz hinten unter einem der Olivenbäume kniet eine einsame Gestalt. Mit gekrümmten Schultern betet Jesus dort zitternd. Er bebt vor Angst und eine tiefe Traurigkeit hat ihn überrollt. Sein Herz ist sehr schwer geworden von der Furcht vor Schmerzen, vor dem Alleinsein und vor dem Tod. Jetzt steht er schwerfällig auf und schleppt sich zu seinen Freunden zurück, die am Eingang des Gartens auf ihn warten. Doch als er zu ihnen kommt, merkt er, dass alle schlafen. Nicht mal eine einzige schwere Stunde konnten sie mit ihm wachen?! Enttäuscht weckt er seinen besten Freund und bittet ihn, mit und für ihn zu beten. Jesus zieht sich nochmals in die Dunkelheit zurück. Doch als er von dort wiederkommt, entdeckt er, dass er zum zweiten Mal alleine gelassen wurde und seine Freunde wieder eingeschlafen waren.
Völlig schockiert und mit offenen Mündern starren die Freunde und Schüler von Jesus ihren Lehrer an. Was hat er da gesagt? Das kann doch nicht sein! In Gedanken wiederholen sie nochmals die krasse Aussage von Jesus: „Einer von euch wird mich verraten“ – Aber sie waren doch so lange mit ihm unterwegs gewesen, hatten so viel geteilt, so viele Tage und Nächte, fast schon wie Brüder. Kann man dann doch zu so etwas fähig sein? Können alle zum Verräter werden? Das will man irgendwie nicht glauben. Doch einer am Tisch, mitten in der bestürzten Runde, wendet leise ein paar Silbermünzen in seinem Sack hin und her. 30 Stück hat er bekommen von den führenden Kräften der jüdischen Gemeinschaft, die Jesus auf der Pike haben. Das ist doch immerhin was! Es fühlt sich an wie Macht und Sicherheit in den Händen zu halten. Irgendwie muss doch jeder zu sich selbst schauen! Doch Verräter wird er nicht gerne genannt, das klingt zu krass. Klirrend lässt er das Geld im Sack los, schiebt den Stuhl zurück und geht. Die anderen denken, Judas müsse noch was besorgen. Doch er sucht eine günstige Gelegenheit, umzusetzen, wofür er sich bezahlen liess.
Unvorstellbar, was Menschen anderen Menschen alles zufügen können. Tiefe seelische Verletzungen durch spöttische und erniedrigende Worte. Körperliche Gewalt mit Knüppeln, Schlägen und anderen Foltermethoden, die unvergängliche Narben hinterlassen. Umfangen von unsäglichen Schmerzen am ganzen Körper, blutenden inneren und äusseren Wunden hängt Jesus am Kreuz. Schweres Leiden macht alles dunkel, selbst wenn es eigentlich mitten am Tag ist. Rund um den Hügel Golgatha, der zum Todesplatz für Jesus geworden ist, legt sich tatsächlich eine mehrstündige Dunkelheit. In diese schwarze Wolke hinein schreit Jesus seinen Schmerz hinaus. Nur noch wenige seiner Anhänger sind unter dem Kreuz stehen geblieben. Von vielen wurde er panisch verlassen. Nicht mal mehr Gott scheint da zu sein. Erdrückende Gefühle der Einsamkeit und des Schmerzes lassen ihn rufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Dann wird es ganz still. Dort an diesem Kreuz ist einer gestorben, der jegliche Schmerzen kennt und versteht.
Noch ist es finster, der neue Tag ist erst ein paar wenige Stunden alt und die Nacht ist noch nicht ganz verdrängt. Doch ein paar rötliche Strahlen blinzeln am Horizont hervor und kündigen an, dass es gleich hell wird. Eine Freundin von Jesus, Maria Magdalena, ist bereits wach und auf dem Weg zu seinem Grab. Sie erwartet, bald den grossen, extrem schweren Stein zu sehen, der vor die Grabhöhle gerollt ist. Er versperrt ihr nicht nur den Weg, um ihren Freund mit duftenden Kräutersalben einzubalsamieren. Dieser Stein ist wie ein riesiger Schlusspunkt. Leben fertig. Freundschaft fertig. Hoffnung fertig. Sie hat keine Ahnung, wie sie den grossen Stein wegrollen oder mit der Endgültigkeit des Todes fertig werden soll. Aber die heller werdende Morgenröte dieses Sonntags wirft immer mehr Licht auf das Grab, der Ort des Todes. Doch dort liegt kein Schlusspunkt mehr unverrückbar da! Der Stein ist weg! Das Grab ist leer! Maria kann ihren Augen auch kaum trauen, sie ist ganz verwirrt. Doch in ihr beginnt eine Last wie ein Stein vom Herzen zu fallen und Hoffnung zu auferstehen. Neues Leben ist möglich! Genauso wie der Tag um sie erwacht, erwacht der Glaube in ihr: Ostern heisst Neuanfang!
Wo kann Jesus nur sein? Sie haben doch selbst gesehen, wie er hier in dieses Felsengrab gelegt wurde, nachdem er am Kreuz gestorben war. Doch hier ist er nicht – nicht mehr! Nur die Leinentücher, in die er eingewickelt war, liegen noch da. Merkwürdig, würde jemand, der einen Leichnam stiehlt und hastig davonträgt, um ihn verschwinden zu lassen, ihn nicht einfach samt Tücher mitnehmen? Doch wo kann Jesus denn sein? Die Blicke der suchenden Frauen schweifen umher. Plötzlich werden sie von Stimmen aus ihren fragenden Gedanken gerissen. Wow, was für ein Schock, als wie aus dem Nichts Männer in glänzend weisser Kleidung vor ihnen stehen! „Was sucht ihr?“ werden sie gefragt. „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Ja, was suchen sie denn hier in dieser Felshöhle? Eigentlich einen Ort, um zu trauern und Abschied zu nehmen. „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“, diese Frage lässt Erinnerungen in den Frauen wach werden. Hat nicht Jesus selbst immer wieder angedeutet, dass er nach drei Tagen zu neuem Leben auferstehen wird? Die Frauen laufen aufgeregt aus dem Grab. Also den gesuchten Leichnam finden sie hier nicht. Doch sie wollen weiter suchen nach dem Lebendigen, nach Hoffnung und Sinn.
Einige haben die Hände vors Gesicht geschlagen, andere lachen laut. Stühle kippen um. Menschen umarmen sich. Einzelne starren mit grossen Augen und offenen Mündern zur Tür. Manchmal ist Glück und Freude so gross, dass man sie kaum fassen kann. Dort steht Jesus und sagt mit seiner wohlvertrauten Stimme: „Friede mit euch!“ Sehen sie jetzt Gespenster, spielt ihnen die Trauer einen Streich oder wachen sie gleich aus einem Traum auf? Jesus, ihr Freund und Lehrer, mit dem sie drei Jahre durchs Land gezogen sind und den sie als Sohn von Gott erkannt haben, wurde doch brutal umgebracht. Die Stimmen des Hasses haben gesiegt und haben ihm das Leben genommen. Doch nun, drei Tage später, steht er plötzlich wieder mitten im Raum. Das ist doch irgendwie nicht zu fassen! Mit ausgestreckten Armen lädt Jesus ein, ihn anzufassen. Dabei werden seine Wunden von den Nägeln sichtbar und gleichzeitig können diejenigen aus der Runde, die sich von ihm berühren lassen, das Leben fühlen. Mit Freudentränen in den Augen wollen immer mehr Hände die Einladung annehmen. Die Freude steckt an, zieht Kreise und lässt bei den einen Siegesjubel im Herzen aufkommen, während andere stiller werden und sich staunend wundern.